Mit einem Namen verbinden sich konkrete Vorstellungen, Assoziationen, Erinnerungen, positive und negative Erfahrungen. Das alles gilt auch für einen Schulnamen. Die Richtlinien zur Namensgebung schreiben vor, dass mit dem Namen die Eigenständigkeit einer Schule hervorgehoben werden und diese sich dadurch nach außen von anderen unterscheiden soll. Darüber hinaus hat ein Schulname aber weitere Bedeutung. So soll die Schule oder ihr Schulort in einem besonderen Verhältnis zum Namenspatron stehen. Die Verleihung von Namen lebender Persönlichkeiten ist nicht erlaubt. Eine weitere wichtige Forderung sei hinzufügen: Der Namenspatron soll allen Mitgliedern der Schulgemeinschaft Vorbild sein und positive Anknüpfungspunkte ermöglichen. In Leopold Ullstein haben wir einen höchst geeigneten Namenspatron vorzuweisen.
Leopold Ullstein wurde am 6. September 1826 in Fürth im Hause Mohrenstr. 2 geboren. Die Mutter stammte aus Berlin, der Vater, ein jüdischer Mitbürger, hatte das Bürgerrecht in Fürth und führte eine Druckerei und Papierhandlung. Leopold war der jüngste von drei Söhnen. Bis zum 14. Lebensjahr besuchte er die Privatschule des Dr. Brentano in Fürth, die ihm in seinem Abschlusszeugnis "lobenswerte Sittlichkeit", "vorzügliche Fähigkeiten" sowie "vorzüglichen Fleiß und Kenntnisse" bescheinigte.
Er lernte im Geschäft des Vaters als Kaufmann. Die weitläufigen geschäftlichen Beziehungen der Firma weiteten den Blick des jungen Leopold schon frühzeitig über Fürth hinaus.
1847 setzte sich der Vater zur Ruhe, die drei Söhne übernahmen das Geschäft. Während die beiden älteren Brüder, das Unternehmen an den Hauptsitz des deutschen Verlagsbuchhandels nach Leipzig zu verlegten, entschloss sich Leopold, seinen eigenen Weg zu gehen. 1855 erlaubte ihm der Fürther Magistrat, nach Berlin auszuwandern, wo er mit seinem Anteil an der väterlichen Firma in Fürth ein eigenes Geschäft gründete.
Die Firma in Berlin blühte rasch auf, zu seinen Kunden zählten bedeutende deutsche Verleger und Druckereibesitzer. In Berlin begann Leopold Ullstein sich auch politisch zu engagieren. 1872 wurde er als Liberaler in die Stadtverordnetenversammlung der neuen Reichshauptstadt gewählt. Der ehrlich und gerecht denkende Ullstein galt wegen seines lebhaften Geistes und seiner beredten Zunge als viel beachteter Redner und schon bald stand sein Name für die reformfreudigen Gedanken, für die er im Stadtparlament kämpfte.
Am 14.07.1877 kaufte Leopold Ullstein seine erste Zeitung, das "Neue Berliner Tageblatt", und damit hatte er das Feld betreten, das das Haus Ullstein groß machen sollte.
Das Programm der Zeitung verkündete den Ausbau, die Einheit und die Freiheit Deutschlands, Gedanken, die heute genauso aktuell sind, wie damals. 1877 nahm er auch noch die "Berliner Zeitung" in seinen Verlag, die unabhängig von allen Parteien einen freien Standpunkt vertreten sollte. Das "Neue Berliner Tageblatt", das sich unterdessen "Deutsche Union" nannte, ging bald in ihr auf. Ab 1.10.1882 erschienen eine Morgen- und Abendausgabe, Aktualität in bis dahin im Zeitungswesen nicht gekanntem Ausmaß.
Die Zeitung nahm leidenschaftlich Anteil am politischen Geschehen und steigerte ihre Auflage. Leopold Ullstein, der sich als Verleger um die kleinsten Angelegenheiten kümmerte, bekämpfte die Monopole privater Unternehmer, veranlasste Bürgerversammlungen und setzte sich für die Belange seiner Kommune ein. Die politische Gesinnung des Blattes, die der ihres Verlegers entsprach, konnte ein breites Publikum ansprechen und stand politisch mit ihrer bürgerlich-fortschrittlichen Tendenz zwischen den Konservativen, die sich gegen jedes konstitutionelle System wehrten, und der Sozialdemokratie, die noch in ihren Anfängen stak.
Ullstein war für seine Redakteure nicht nur Zeitungsbesitzer und Verleger, sondern auch politischer Berater und Kampfgefährte. Die Redakteure scheuten sich auch nicht, sich mit den Nationalliberalen, der Partei Bismarcks, anzulegen. Sie traten für ein konstitutionelles System ein, d.h., eine freiheitlich-demokratische Verfassung, die die Macht des preußischen Obrigkeitsstaates beschränken sollte. Bismarck, der sich dagegen wehrte, versuchte mit zahlreichen Strafanträgen den Einfluss der liberalen Presse zu schmälern. 1879 verbot das Generalkommando der Gardetruppen den Berliner Soldaten, liberale Zeitungen zu lesen. 1880 - 1882 wurden viele Nummern der "Berliner Zeitung" beschlagnahmt, hinzu kamen zahlreiche Prozesse gegen die Redakteure.
Ungeachtet dieser Spannungen baute Ullstein seinen Verlag aus. Am 1.9.1887 gab es zum ersten Male die "Berliner Abendpost". In der "Abendpost" vermied er es, die Zeitung politisch festzulegen, verzichtete auf alle parteipolitische Polemik und billigte auch politisch Andersdenkenden ihren Standpunkt zu.
1894 kaufte Ullstein die "Berliner Illustrierte Zeitung", eine Wochenzeitung, die bisher im Verlag nur gedruckt worden war. Mit ihr revolutionierte Ullstein das bisher geltende Bezugssystem für Zeitungen. Er schaffte den Abonnementszwang ab, der die Leser in der Regel auf ein volles Jahr zur Vorauszahlung verpflichtete. Die Zeitschrift musste daher mit jeder Nummer so gut, fesselnd und neuartig sein, dass der Leser ihr freiwillig die Treue hielt.
1898 erschien die nächste Gründung Ullsteins, die "Berliner Morgenpost", die schon 1899 160000 Abonnenten hatte. Die Morgenpost wurde das volkstümlichste Blatt Berlins und seiner Umgebung.
Mit 73 Jahren hatte Leopold Ullstein ein Verlags- und Zeitungsunternehmen aufgebaut, das weit größer geworden war, als es sich der ehemalige Fürther wohl je hatte träumen lassen. Beim Tode des Gründers 1899 beschäftigte das Unternehmen bereits 1600 Menschen. Fünf seiner Söhne waren unterdessen in die Arbeit hineingewachsen und führten sie weiter.
Mit Leopold Ullstein starb am 4.12.1899 ein Organisations- und Unternehmertalent, das zeit seines Lebens mit sicherem Gespür die richtigen Entscheidungen getroffen hatte. Bausteine zu diesem Erfolg waren seine feste Grundgesinnung, seine tolerante, weltoffene und kämpferische Einstellung, verbunden mit kritischem Geist, Fleiß, innovativer Tatkraft und Familienverbundenheit. Diese Fundamente waren in seiner Heimatstadt Fürth gelegt worden. Fürth hatte aufgrund seiner Geschichte, seiner Bevölkerungsstruktur, seiner Toleranz und Liberalität Leopold Ullstein entscheidend mitgeprägt und ihm den Weg in die Welt vorbereitet.
Ist Leopold Ullstein, ein Mensch des 19. Jahrhunderts, ein Namenspatron für eine Schule? Kann er jungen Menschen an der Schwelle zum 21. Jahrhundert etwas vermitteln?
Wir haben uns diese Fragen gestellt und sie klar bejaht. Leopold Ullstein verkörperte und lebte zeitlose Werte. Wenn wir unsere Schüler zu diesen Werten hin miterziehen, erziehen wir mündige Bürger für unsere demokratische Gesellschaft. Leopold Ullstein ist auch nach 100 Jahren ein moderner Mensch, ein Bürger aus Fürth, auf den die Stadt stolz sein kann.
Die Leopold-Ullstein-Realschule Fürth wird das Andenken an ihn lebendig halten.
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